Es ist nicht ganz einfach, einen geschickt vorgehenden Schädiger zu überführen. Das ist nicht anders, als beim Trickbetrüger auch. Je geschickter sein Vorgehen, umso schwerer wird es, ihn zu überführen. Doch nach und nach setzt sich alles wie ein Puzzle zusammen. Das Bild wird vollständig und immer klarer:
Hinsichtlich der Manipulationen, die Mercedes bei dem Motor dem Typ OM 651 vorgenommen hat, ist zu unterscheiden: Soweit das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Manipulation entdeckt hat, erfolgt ein amtlicher Rückruf. Für den Prozess ist dies ein sicheres Indiz dafür, dass mit der Steuerung der Abgasreinigung etwas nicht stimmt. Kann der Geschädigte in einem Prozess die Funktion der Täuschung in etwa beschreiben und kann er darüber hinaus darauf verweisen, dass das Kraftfahrtbundesamt einen amtlichen Rückruf ausgesprochen hat, so ist es Angelegenheit von Mercedes genau darzulegen, wieso diese Art der Programmierung vorgenommen wurde, mit welchem Zweck, außer das Kraftfahrtbundesamt und den Verbraucher zu täuschen. Das gelingt Mercedes in den von uns geführten Prozessen regelmäßig nicht, weshalb zunehmend Gerichte den Konzern verurteilen, Schadensersatz zu leisten (zuletzt Landgericht Stuttgart, Urteil vom 4. Dezember 2020, 14 O 177/20 als eines von vielen).
Schwieriger wird es, wenn kein amtlicher Rückruf erfolgt ist, sondern nur ein freiwilliger, obwohl bei diesem Rückruf nach diesseitiger Kenntnis genau das gleiche Update aufgespielt wird, wie bei den Fahrzeugen mit einem amtlichen Rückruf. Hier ist es die Aufgabe des Schädigers, konkreter vorzutragen, worin die Manipulation liegt. Mercedes legt in den Prozessen gelegentlich ein Gutachten vor, welches der Verband Deutscher Automobilhersteller in Auftrag gegeben hat, dem auch Mercedes angehört. Mit diesem Gutachten wollen die Hersteller belegen, dass das sogenannte „Thermofenster“ üblich und notwendig ist, um den Motor zu schützen. Wir haben uns mit diesem Gutachten sehr intensiv auseinandergesetzt und es wird deutlich, dass es überhaupt nicht um den Motorschutz geht, sondern lediglich um den Schutz eines ungeeigneten Abgasrückführungs-Systems. Die Ursache dafür, warum die Abgasrückführung in weiten Teilen des täglichen Betriebes abgeschaltet wird, liegt darin, eine unzureichende Abgasreinigungsanlage zu schützen. Nicht den Motor. Das ist etwa so, als würde man einen Rauchmelder zwischendurch abschalten, weil er sonst Gefahr liefe, heiß zu laufen und einen Brand zu verursachen. Kein Mensch würde das für zulässig erachten, obgleich es doch in jedem Fall um Brandschutz geht. Diesen Ursachenzusammenhang begreifen nach und nach auch die Gerichte und erkennen, dass der Motorschutz, den Mercedes zu seiner Verteidigung vorträgt, nur vorgeschoben ist. Tatsächlich wollte man damals, als diese Systeme entwickelt wurden, Kosten sparen, indem man auf kostenträchtige aber funktionstüchtige Legierungen verzichtete oder zusätzliche Filter. Die Leidtragenden sind die Käufer, die das Fahrzeug nicht gekauft hätten, hätten sie von den Manipulationen gewusst.