Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist das höchste Rechtsprechungsorgan der EU. Er sorgt unter anderem dafür, dass das europäische Gemeinschaftsrecht in allen Mitgliedstaaten gleich angewandt wird. Was viele nicht wissen ist die Tatsache, dass die Zulassungsverordnung, nach deren Vorschriften Fahrzeuge in Europa zugelassen werden, eine solche europäische Norm ist. In der Rechtsprechung zum Diesel-Abgasskandal spielt diese Norm eine entscheidende Rolle. Allerdings haben die deutschen Gerichte bisher wenig Rücksicht darauf genommen, wie der EuGH diese Verordnung wohl auslegt. Glücklicherweise gibt es immer wieder vernünftige Richter, die solche Auslegungsfragen dem Europäischen Gerichtshof zu einer Entscheidung vorlegen und nicht einfach nach eigenem Gutdünken entscheiden. So hat es auch ein Richter des Landgerichtes Ravensburg getan. Es ging dabei um eine Entscheidung gegen Mercedes-Benz und um die Auslegung der entscheidenden Norm dahingehend, ob auch der einzelne Käufer und sein Vermögen durch diese Norm, die die Zulassung der Fahrzeuge regelt, geschützt wird.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieses in seinen bisherigen Entscheidungen immer verneint. Er war der (unverständlichen) Auffassung, dass es sich bei der Zulassungsnorm zwar um eine Umweltnorm handelt, die die Umwelt schützen soll, nicht aber den einzelnen, der in dieser Umwelt wohnt und Schaden nehmen könnte.
Die rechtliche Überprüfung beim Europäischen Gerichtshof übernimmt der sogenannte Generalanwalt, der ein Plädoyer hält und Schlussanträge stellt. Da dieser Generalanwalt besonders sorgfältig arbeitet, folgt der Europäische Gerichtshof regelmäßig seinen Empfehlungen.
In technischer Hinsicht hat der Generalanwalt festgestellt, dass auch eine Abschalteinrichtung der Abgasreinigungsanlage eine unzulässige Form im Sinne der Verordnung ist, wenn diese auch nur zeitweilig im Normalbetrieb des Fahrzeuges zur Anwendung kommt. Das ist ausgerichtet auf das sogenannte Thermofenster, welches viele Hersteller zur Steuerung der Abgasreinigungsanlage nutzen. Das Thermofenster bezeichnet den Temperaturbereich, in dem die Abgasreinigungsanlage vollständig funktioniert (beispielsweise 15-30°) und außerhalb dieses Temperaturbereich nicht mehr. Damit urteilt der Generalanwalt anders, als der BGH.
Viel entscheidender sind jedoch die Ausführungen des Generalanwaltes zu der Frage, ob auch der einzelne in den Schutzbereich dieser Norm fällt. Er ist der Auffassung, dass sich aus den EU-Richtlinien ergibt, dass ein Käufer, der ein Fahrzeug mit einer solchen unzulässigen Abgasreinigungsanlage erwirbt, einen unmittelbaren Anspruch gegen den Hersteller besitzt, der nicht an die zusätzlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit und Arglist gebunden ist.
Folgt der Europäische Gerichtshof dieser Einschätzung, was zu erwarten ist, dann steht fest, dass Tausende von Entscheidungen verschiedener Gerichte falsch sind. Auch wenn diese aufgrund der Rechtskraft nicht mehr korrigiert werden können, gibt es jetzt aber gute Hoffnung für viele andere, auf viel einfacherem Weg Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller eines Motors durchzusetzen, auch wenn dieser nicht arglistig oder gar sittenwidrig gehandelt hat. Entscheidend ist lediglich, dass er schuldhaft die Norm verletzt hat, was regelmäßig anzunehmen ist. Klagen müssten dann zukünftig nicht mehr auf die schwierigen Norm des § 826 BGB gestützt werden (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) sondern könnten zusätzlich mit § 823 Abs. 2 BGB begründet werden, dessen Voraussetzungen i.V.m. der europäischen Verordnung deutlich günstiger sind. Und das Gute ist: Der BGH ist daran gebunden, weil er die Entscheidung des europäischen Gerichtshofes zu achten hat.
Wer also bisher gedacht hat, seine Schadensersatzansprüche lassen sich nicht durchsetzen, kann nun wieder hoffen. In jedem Fall sollten Sie überprüfen lassen, ob Schadensersatzansprüche bestehen. Bereits anhängige Verfahren sollten nach unserer Auffassung ausgesetzt werden, bis der Europäische Gerichtshof diese Frage letztendlich geklärt hat.
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